Respekt und Würde

Stellungnahme zur Diskussion um Kreuz oder Fahne auf dem Denkmal in Stukenbrock von den langjährigen Vorsitzenden des Arbeitskreises BLUMEN FÜR STUKENBROCK, Werner Höner und Jochen Schwabedissen
11.04.2011
Die gegenwärtig vom CDU-Landtagsabgeordneten Dr. Brinkmeier inszenierten Kampagne um den Obelisken auf dem Sowjetischen Soldatenfriedhof in Stukenbrock veranlasst uns zu den nachstehenden Erläuterungen der Sachlage:
Nicht die Frage Kreuz oder Fahne stellt sich, sondern die, wie man es mit den Begriffen Respekt und Würde hält, die dringend gegenüber den Menschen angebracht sind, die im Stukenbrocker Lager von Deutschen zu Tode gequält und im Sennesand verscharrt worden sind.
Am 22. Juni jährt sich zum siebzigsten Mal der Tag, an dem die deutsche Wehrmacht die Sowjetunion überfiel und dort unermessliches Leid und millionenfachen Tod verursachte.
Rund 20 Millionen Menschen der UdSSR verloren in diesem Krieg ihr Leben. Über 3 Millionen sowjetische Kriegsgefangene wurden von den Nazis ermordet, dem Hungertod preisgegeben oder auf andere Weise umgebracht.
Es waren die Soldaten der Sowjetunion, die ihr Land von der deutschen Besatzung befreiten und den größten Blutzoll auch für die Befreiung Deutschlands erbrachten. Zu diesen Menschen, denen auch wir die Befreiung zu verdanken haben, gehören auch die 65.000 Kriegsgefangenen, die in der Stukenbrocker Erde liegen .
Schon wenige Tage nach ihrer Befreiung am 2. April 1945 begannen die Überlebenden, ihren toten Kameraden einen Friedhof anzulegen und dort einen Obelisken zu errichten, der allen nachfolgenden Generationen von ihrem Leid berichten sollte.
Sie stellten vor den 36 Massengräbern Steinstelen auf und setzten in jede dieser Stelen einen roten Stern, das Symbol ihres Landes. Das Material dafür bestand aus Rückstrahlern von Fahrrädern, die sie sich in der Umgebung beschafften.
Auf die Spitze des Denkmals, das von dem Lagerinsassen Alexander Mordan entworfen und in der Verantwortung des Ingenieurs Victor Choperski in nur 30 Tagen errichtet worden war, setzten sie die Fahne ihres Sieges über den Faschismus, eine Glasplastik mit Hammer und Sichel. Unter dieser Fahne hatten Soldaten aus allen Republiken der UdSSR gemeinsam gekämpft. Sie gehörten verschiedenen Religionen an. Viele waren orthodoxe Christen, es waren aber auch Juden und Muslime unter ihnen, sowie Menschen ohne Zugehörigkeit zu einer Religionsgemeinschaft.
Zu der Einweihungsfeier des Obelisken am 2. Mai 1945, hatten Überlebende vor die Stelen an den Massengräbern aus Holz gezimmerte orthodoxe Kreuze errichtet, die allerdings im Laufe der Jahre verwitterten.
Es gab schon in den 50er Jahres des vorigen Jahrhunderts lokale Politiker, die den Obelisken abreißen wollten. Ja, sie hatten bereits damit begonnen, die Sterne und die Glasplastik abzubauen, wurden aber von der britischen Militärverwaltung auf Protest der sowjetischen Militärmission daran gehindert.
Die Glasplastik wurde allerdings nicht erneuert, sie fiel dem damals schon wirkenden Kalten Krieg zum Opfer. Der alte Feind im Osten war auch der neue, und so war die damalige CDU- Landesregierung nicht bereit, eine rote Fahne zu tolerieren. Man setzte stattdessen ein orthodoxes Kreuz auf den Obelisken. Niemand fragte die Erbauer des Denkmals. Man war auch Jahre danach nicht gewillt, den Überlebenden diese Tat zu begründen.
Bis zu ihrem Lebensende hatten der Architekt des Denkmals, Alexander Mordan und der Mitgestalter des Obelisken Dimitri Orlow enge freundschaftliche Kontakte zum Arbeitskreis Blumen für Stukenbrock. Sie, wie andere Überlebende des Lagers baten uns des öfteren, uns dafür einzusetzen, dass ihr Denkmal erhalten bliebe und wieder so aussehen möge, wie sie es gestaltet hatten.
Für uns war das selbstverständlich und entsprach unserer großen Hochachtung vor dem Lebenswerk all dieser Menschen. Das Bemühen um die Erhaltung des Denkmals und des Friedhofs entspricht unserem Verständnis von Respekt vor den Menschen, die dort gelitten haben.
Als nach unseren Bemühungen im Jahre 2004 - der Kalte Krieg schien überwunden zu sein- die Landesregierung versprach, sich für die Wiedererstellung des Obelisken einzusetzen, wurden erste konkrete Schritte ihrerseits dazu eingeleitet. Mit der russisch- orthodoxen Kirche schien eine Einigung nach Aussagen der Botschaft der Russischen Förderation dahingehend erzielt worden zu sein, dass das orthodoxe Kreuz einen würdigen Platz auf dem Friedhof erhalten sollte.
Nach einer Absprache der Landesregierung (Ministerium für Bauen und Verkehr) am 28.07.2006 mit Vertretern des Arbeitskreises Blumen für Stukenbrock , der Dokumentationsstätte Stalag 326, der Stadt Schloß Holte- Stukenbrock, der Bezirksregierung Detmold, dem Westfälischen Amt für Denkmalpflege schienen alle Hindernisse ausgeräumt zu sein. Es wurden konkrete Festlegungen für den Umbau der Denkmalspitze vereinbart.
Bereits am 21.02.2006 hatte der stellvertretende Vorsitzende des Arbeitskreises Blumen für Stukenbrock, Herr Pastor Jochen Schwabedissen sich an Erzbischof Longin von der Russisch- Orthodoxen Kirche gewandt und unser Anliegen geschildert. Von dort wurde Gesprächsbereitschaft signalisiert.
Es stellt sich hier nach der jetzigen Auseinandersetzung die Frage:
Darf man die furchtbaren Verbrechen, die in der Stalin- Aera an Christen der russisch-orthodoxen Kirche, wie an Millionen unschuldiger Menschen begangen worden sind, heute dazu nutzen, eine Abrechnung mit den Erbauern des Obelisken und den zahlreichen Überlebenden des Stalag zu führen weil sie die Fahne ihres Landes auf den Obelisken setzten? Wo bleibt der Respekt vor diesen Menschen seitens der Herren Dr. Brinkmeier, Herrn Lascheks und anderer Persönlichkeiten?
Wenn heute, fünf Jahre nach diesem Beschluss der Landesregierung und nach fünf Jahren Wartens der Regierungspräsidentin auf eine Klärung der Angelegenheit mit der russisch- orthodoxen Kirche, nun endlich die Landesregierung ihren Beschluss von 2004 umsetzen möchte, stellt sich die Frage, was diese Kampagne bezwecken und wem sie nutzen soll?
Offensichtlich ist für einige Politiker der Kalte Krieg doch nicht vorbei . Auch ist es nicht nachvollziehbar, dass heute Vertreter der Orthodoxen Kirche in Deutschland sich darüber beklagen, auf dem Friedhof künftig keine Gottesdienste mehr durchführen zu können.
Jeder, der den Friedhof kennt, kennt auch die Ehrenhalle mit dem großem orthodoxen Kreuz und der Mahnung an die Überlebenden, alles für den Frieden zu tun.
Dort fanden bisher viele Feiern und Andachten statt. Übrigens auch durch den Arbeitskreises Blumen für Stukenbrock, der hier zahlreiche ökumenische Gottesdienste gestaltete. Niemand will daran etwas verändern.
Im übrigen schlägt der Arbeitskreis vor, vor den Stelen wieder Kreuze anzubringen, so wie sie bei der Denkmaleinweihung standen, allerdings aus einem festen Material.